Für eine Kunst der Nicht-Kunst

DORIS MEETS DORIS - Eine Videosammlung 1981-89
Einleitung von Harald Fricke

Das ist es, was man aus dem Kunstkontext herausholen kann: Retrospektive Videoarbeiten, von Menschen gemacht, die mehr zufälling am Prozeß teilgenommen haben. 1981, auf einer Bühne irgendwo in Europa - schöne Künstler spielen seltsame Musik von vorproduzierten Bändern, summen ins Mikrofon, schlagen Trommeln, tanzen halbnackt und machen sich eine gute Zeit. Die Kunst kommt ohne Kunst aus. Ähnlich wie im Fluxus, nur mit einem Unterschied: Die Idee von der Weltveränderung, sei sie symbolisch oder real, ist verschwunden. Übriggeblieben sind Fragmente: Käthe Kruse und Wolfgang Müller, vormalige Mitglieder von Die Tödliche Doris, haben sich dandyhaft wie in der Mode des frühen 20. Jahrhunderts gekleidet, rutschen auf den Knien über den Bühnenboden, schunkeln zu einem fremdartigen Liebeslied und winken dem Publikum entgegen. Das Bild dauert knapp 30 Sekunden an, die Performance ist "Braunes Langohr" betitelt - in Anspielung auf jene Pelztierchen, die sonst nur Karotten essen und ihren unentwegten Appetit auf Sex genießen können.

Andere Teile ihrer Bühnenarbeit sind sehr viel tragischer: So finden sich satyrähnlicheVerführungssequenzen in den Rhythmen und Gesten von "Schuld-Struktur", während der Titel von den Schuldhaftigkeiten in jedermanns Alltagsleben erzählt. Man kann auch "Ortgespräch 1986" als ein Beispiel für das Pro und Contra in Sachen post-künstlerische Popstars nehmen, wie es Velvet Underground einst waren. Doris betritt die Bühne mit Gitarrenkoffern und dunklen Sonnenbrillen. Sie schütteln ihre noch eingepackten Instrumente und ein Krach erklingt, als würde ein Tornado durch Mülltonnen fahren. Dann Schnitt, und eine andere Szene: Doris spielt nun tatsächlich Gitarre und es klingt noch schräger. Wieder ein Schnitt, dann die Wiederholung der ersten Einstellung; Wiederholungen, die auf Wiederholungen folgen, doch am Ende bleibt nur Lärm zurück, der den seriellen Bildfolgen entspricht.

Obwohl nur auf eine Zeitspanne von acht Jahren begrenzt, könnte der Eindruck erweckt werden, als wäre Die Tödliche Doris eine Art Königin der Nacht für Berlin gewesen. Anfang 1981 als eine Erwiderung auf Berlins Maler - damals unter dem Begriff vom Neuen Wilden zusammengefaßt - in Bewegung gesetzt, entfaltete Doris ihren eigenen Stil der Genialen Dilettanten, was in etwa bedeuten sollte: rauher Sound, harsche Stimme und bizarre, gewissermaßen dadaistische Bühnenschau. In einem Ausschnitt zu "Weltkonferenz Hochalpen" sind Wolfgang Müller und Nikolaus Utermöhlen in Pharaonenkostümen zu sehen (nicht unähnlich der Verkleidung von Hugo Ball bei dessen berühmter Schamanen-Performance aus dem Jahr 1915). Sie wandern auf der Bühne umher, während im Hintergrund als Filmprojektion eine Landkarte des kanadischen Seengebietes über die Handlung geblendet wird. Die Videos im Allgemeinen dokumentieren die Gruppenaktivitäten von den frühen Gehversuchen bis zum späten Manierismus sogenannter "Helden des Underground", die sich daran zu erinnern versuchen,woher sie eigentlich gekommen sind. In "Nachdenken, Gedächtnis und Gesang" faßt Utermöhlen seine Erfahrungen zusammen, indem er singt: "Was wir gehört haben, was wir gesehen haben, was wir gedacht haben". Die Parolen sind selbstreflektiv, lassen nichts über und geben nichts verloren in dem kurz aufblitzenden Augenblick der Stimme. Es ist eine Karriere, aber in Bruchstücken.






Die Tödliche Doris "DORIS MEETS DORIS"
21 Minuten, Mono
Label: Die Tödliche Doris Schallplatten
Katalog-Nr.: DORIS 015
VHS-Video-Kassette (in PAL- und NTSC-Formate)
Verkaufspreis: 10,- EUR

INHALT:

  • Noch 14 Vorstellungen
  • Ungerechtigkeit Teil II
  • Ungerechtigkeit
  • Not True!
  • Stümmel mir die Sprache
  • Schuld-Struktur
  • Braunes Langohr
  • Weltkonferenz Hochalpen
  • Ortsgespräch 1986 - Wir begrüßen den neuen Tag
  • Nachdenken, Gedächtnis und Gesang; Windstille

Das Video ist nicht mehr im EFA-Vertrieb in Europa. Die VHS-Videokassetten (!!) sind immer noch erhältlich in PAL oder NTSC. Falls Sie Interesse haben, mailen Sie bitte hier.




Zur Die Tödliche Doris Website @ www.die-toedliche-doris.de